Mit spitzer Feder …
Ich gehöre zur Generation X – Unabhängigkeit, Individualismus, Sinnsuche sind die Werte, die mich prägen. Pragmatisch, selbstständig, Streben nach höherer Lebensqualität und Zeit ist wertvoller als Geld – dies sind die Merkmale meiner Generation. Meine Generation bewegt sich in einer anderen Welt als die Generation Z, die immer häufiger Schlagzeilen macht. Mit der Generation Z sind die um die Jahrtausendwende geborenen Jugendlichen und jungen Erwachsenen gemeint. Die Zoomer sind digital sozialisiert und ständig im Netz unterwegs. Sie fordern Sabbaticals und hohe Gehälter. Sie verabscheuen Hierarchien und fühlen sich einer Firma weniger verbunden. Sie reagieren auf Anordnungen allergisch und lehnen Mehrarbeit ab. Sie sind anspruchsvoll und wünschen wertgeschätzt zu werden. Es kann sein, dass die Generation Z öfter «krankmacht». So wird sie auch von der Marktforschung umschrieben: Das eigene Wohlergehen stellt sie vor den Profit ihres Arbeitgebers. Sie wünscht sich, dass dieser sich um das Wohlergehen seiner Mitarbeiter kümmert. Sie will flache Hierarchien, Mitbestimmung und Goodies. Lieber hat sie Freude an der täglichen Arbeit, als sich zähnebeissend und unglücklich an die Spitze der Karriereleiter zu kämpfen. Im Vergleich zu den Millennials will die Generation Greta, wie sie auch genannt wird, wieder mehr Struktur im Alltag. Weg von der Work-Life-Balance, hin zur Work-Life-Trennung. Nach dem 9-to 5-Arbeitstag ist Freizeit angesagt – und die ist der Gen Z heilig. Erzählten Millennials noch stolz von Fortbildungen, um ihren beruflichen Horizont zu erweitern, so dreht es sich bei den Digital Natives 2.0 zum Beispiel eher um Urban Gardening oder den Instagram-Channel. Karriere ist ein wichtiges Thema, solange sie nicht zu stark das Privatleben beeinflusst. Der Wunsch nach Selbstverwirklichung und freier Entfaltung steht für diese Generation ganz oben auf der Liste.
Dies hat alles seine Gründe: So wuchs die Generation Z in einer der längsten konjunkturellen Aufschwungsphasen heran und ist auf dem Arbeitsmarkt so gefragt wie keine andere Generation. Entsprechend rollt die Wirtschaft ihr den roten Teppich aus. Die Generation Z ist eine Herausforderung für die Arbeitgeber. Sie kosten Zeit und Nerven. Es ist so eine Sache mit der Generation Z – ein Eiertanz. Denn mit ein bisschen Anerkennung ist es nicht getan. Vielmehr muss der Chef zum Coach avancieren. Der Vorgesetzte zum Personal Manager. Der Befehlsgeber zum Feedbackmeister. Wer autoritär auftritt, erreicht die junge Generation nicht. Denn viele Menschen unter 25 sind Kritik nicht gewohnt, weder von Zuhause noch aus der Schule. Deshalb müssen Chefs ihre Mails in Watte verpacken, Rückmeldungen mit Feingefühl formulieren. Rezensionen in Lob einkleiden. Ansagen mit Wohlwollen vortragen. Die Generation Z wertet Kritik sonst als Angriff.
Auch ich gerate manchmal auf Kollisionskurs mit der Generation Z. Dabei stört mich besonders, dass viele Mittzwanziger wohl vergessen, dass dieses Streben nach mehr Leben in der Work-Life-Balance nur möglich ist, weil viele junge Leute in der Schweiz einen sehr hohen Lebensstandard geniessen können – den sie unter anderem notabene den Vorgängergenerationen zu verdanken haben. Deshalb kann ich beispielsweise die Klimajugend nicht wirklich ernst nehmen. Allerdings möchte ich festhalten: Es gibt auch wunderbare junge Menschen. Und wenn man ganz genau hinschaut, bemerkt man, dass die jungen Leute zum Teil ziemlich verunsichert sind und im Unterbewusstsein realisieren, dass sie in Zukunft noch grosse Herausforderungen zu lösen und zu bewältigen haben. Aber etwas mehr Dankbarkeit und Demut würde auch der Generation Z gut bekommen!
Herzlichst,
Ihre Corinne Remund
Verlagsredaktorin